Der Klimawandel wird unsere Städte „zum Kochen“ bringen. Lösungen, die der starken Erhitzung entgegenwirken, sind deshalb jetzt notwendig. Was bedeutet das für Planer*innen? Brauchen wir ein neues Paradigma im Sinne Form Follows Climate?
Als Luke Howard, Apotheker und Hobby-Meteorologe aus London, vor 200 Jahren den Begriff „Stadtklima“ einführte, war der überwiegende Teil der Gebäude aus baukultureller Tradition und Erfahrung heraus so angelegt, dass sich Stadtbausteine in wechselseitigen Synergien beispielsweise Schatten spendeten, in ihrer Kompaktheit Energie einsparten oder kühlenden Wind durch die Städte streichen ließen.
Städte hatten sich in langfristigen Optimierungsprozessen auf ihr jeweiliges Klima eingestellt.
Mit der Klimakrise ändert sich jedoch dieses Passungsverhältnis zwischen Stadt und Klima radikal. Hinzu kommt eine in der Materie bedingte Trägheit des Städtebaus, nicht nur im Bereich der Klimaanpassung.
Better to fail fast
Matthias Garschagen, Geograph und Klimaforscher an der LMU München, sieht in unseren Städten deshalb Brenngläser des Klimawandels. Nick Reimer und Toralf Staud gehen in ihrem Buch „Deutschland 2050“ noch einen Schritt weiter mit der These: „Erhitzt sich die Erde, kochen unsere Städte.“
Verschnitten mit der derzeitig global kultivierten stadtplanerischen Überzeugung, dass die Verstädterung die nachhaltigste menschliche Lebensform darstellt, stehen wir Planer*innen vor einer Herausforderung eventuell noch nie da gewesenen Ausmaßes und zeitlicher Dringlichkeit. Wir brauchen neue, radikale Lösungsansätze und dürfen keine Chance Richtung Zukunftsfähigkeit verstreichen lassen – better to fail fast, wie es in Programmierer-Kreisen heißt, als gar keine Lösungen anbieten zu können.
Learning from …
Städtebauliche Neuplanungen müssen deshalb bereits in ihrer Konzeption im Sinne einer möglichst hohen Resilienz künftig den Versuch unternehmen, neue Stadtbausteine egal welcher Maßstabsebene von vornherein spezifisch auf die lokalen klimatischen Gegebenheiten hin auszurichten. Damit besteht zum einen die Chance, in einem beinahe ubiquitären Städtebau lokale Spezifika zurück zu integrieren. Zum anderen lassen sich hoffentlich rasch wichtige Prinzipien wie Frischluftschneisen für Kühleffekte im globalen Stadtplaner*innen-Style verankern. Einen Lösungsansatz auf der städtebaulichen Ebene könnte demnach der Verschnitt aus lokalem Wissen im Sinne eines „Learning from …“ und den globalen klimatisch-technischen Erfahrungen darstellen.
Klima-Sensibilität als Experimentierfeld
Für den Wettbewerb zum Stadtentwicklungsgebiet Münchner Nordosten (620 Hektar) entwickelten wir im Team mit Philippe Rahm Architectes, Paris, eine möglichst klimaresiliente Grundkonzeption. Der syrische Architekt Mohamad Faisal Al-Kazei berichtet von traditioneller Architektur seiner Heimat, derem Spiel mit dem Wind und der daraus generierbaren Verdunstungskühlung. Wolfgang Kessling von Transsolar schildert an einem konkreten Beispiel in Arles (F), den LUMA Parc des Ateliers, wie eine ehemalige, vollversiegelte Industriebrache zu einer Frischluftschneise und Aufenthalts-Komfortzone umgebaut wird.
Aus all den nur angeschnittenen Notwendigkeiten wird klar, dass klimasensitiver Städtebau das Experimentierfeld der Gegenwart sein muss. Jan Gehls „Stadt aus der Fussgängerperspektive“ müssen wir also ergänzen um den Parameter der Klima-Sensibilität. Lasst uns also gemeinsam in einen gedanklich radikal neuen Formgebungsprozess einsteigen!