Der Klimawandel ist nichts für Weicheier

Der Klimawandel ist nichts für Weicheier
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Die EU will ein Exempel gegen den Klimawandel statuieren und plant bis 2050 Treibhausgas-neutral zu sein. Die neusten Zahlen zum Jahr 2021 geben hierfür jedoch alles andere als Hoffnung. Alles, was Sie zum Thema Klimawandel, seine langfristigen Gefahren wissen müssen sowie die aktuellen Zahlen zu Klimaleugnerorganisationen, Umweltflüchtlingen und Emissionsspitzenreitern, finden Sie hier.
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Autorin:
Theresa Ramisch, G+L Chefredakteurin

Theresa Ramisch studierte Stadtplanung in Erfurt und München mit Schwerpunkt auf Öffentlichkeits­beteiligung und Kommunikation. Sie ist seit 2016 Redakteurin bei Georg Media und seit Januar 2021 Chefredakteurin der G+L.
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Was haben der Klimawandel und ein rekordverdächtiger Netflix-Film gemeinsam? In der Regel nicht viel. Im Fall von „Don’t look up“ ist das anders. Der US-amerikanische Satirefilm mit Leonardo DiCaprio läuft seit Dezember 2021 in den Kinos und auf Netflix. Nach wenigen Wochen Laufzeit deutet sich bereits jetzt an: Der Film könnte laut filmstarts.de der bislang erfolgreichste Netflix-Film aller Zeiten werden. Worum es geht? Eben nicht um den Klimawandel. Im Film „Don’t look up“ warnen vielmehr zwei Wissenschaftler*innen Öffentlichkeit, Politik und Privatwirtschaft vor einem katastrophalen Kometeneinschlag – aber keiner hört ihnen zu. Der Film gilt als Parabel auf den weltweiten Umgang mit dem Klimawandel. Das Spannende: Während das Urteil zahlreicher Filmkritiker*innen negativ ausfällt, feiern viele Wissenschaftler*innen den Satirefilm. Sie fühlen sich durch den Film verstanden. So schrieb beispielsweise der Klimaforscher Michael Mann von der Pennsylvania State University auf seiner Website, der Film sei eine „mächtige erweiterte Metapher für die sich entwickelnde Klimakrise“.

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Der Film „Don’t Look Up“ mit Leonardo DiCaprio, Jennifer Lawrence und Meryl Streep läuft seit Dezember 2021 auf Netflix. Der Satirefilm gilt als Parabel auf den Klimawandel. Gerade von Wissenschaftler*innen wird er gefeiert (Abbildung: wikicommons).
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Klimawandel – ein gesamtgesellschaftliches Versagen?

Dabei ist das Thema „Klimawandel“ allgemein betrachtet bei weitem kein unbeachtetes. Spätestens seit Greta Thunberg am 20. August 2018 das erste Mal mit ihrem Schild „Skolstrejk för klimatet“ („Schulstreik für das Klima“) vor dem Schwedischen Reichstag in Stockholm für den Klimaschutz protestierte, beschäftigt uns der Klimawandel als gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Greta Thunberg löste mit ihrem Protest schließlich eine ganze Jugendbewegung aus – Fridays For Future. Seitdem kommt auch die Öffentlichkeit am Thema „Klimawandel“ nicht mehr vorbei. Die Wissenschaft hingegen diskutiert die weitreichenden Folgen des Klimawandels aber bereits seit Anfang der 1980er-Jahren – und appelliert auch seit jeher an Politik und Privatwirtschaft für einen anderen Umgang in Sachen Klimaschutz. Und dennoch: Trotz der jahrelangen Aufklärarbeit fühlen sich Wissenschaft, Forschung, aber auch Praktiker oftmals bis heute ungehört. Der Klimawandel und seine Folgen würden nicht ernst genug genommen, so die Meinung vieler.
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Am 20. August 2018 protestierte Greta Thunberg das erste Mal vor dem Schwedischen Reichstag in Stockholm für den Klimaschutz. Sie löste eine ganze Jugendbewegung aus (Abbildung: wikicommons).

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Andrea Gebhard: „Die Relevanz wurde nicht erkannt.“

Dies bestätigt uns auch Christian Kuhlicke vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ im Gespräch zum Thema Schwammstadt. Bereits nach den Hochwassern 1993 und 1995 am Rhein beziehungsweise nach den großen Fluten 2002 und 2013 hätte die Wissenschaft zum Beispiel wichtige Hinweise zum Umgang mit Klimaanpassung und Hochwasser gegeben: „Es ist erschreckend, dass all diese Empfehlungen kaum Berücksichtigung gefunden haben“, so Kuhlicke. Das ganze Gespräch finden Sie in der Dezemberausgabe 2021 der G+L zur Schwammstadt.
Und auch Andrea Gebhard, Landschaftsarchitektin und Präsidentin des Bundesarchitektenkammer, betont in einem Gespräch im Juli 2021 mit der G+L (im Zuge vom Hochwasser 2021): Seitens Landschaftsarchitektur hätte man die Themen des Klimawandels immer wieder mit Politik und Verwaltung diskutiert, die Gefahren benannt, aber ihre Relevanz sei häufig nicht anerkannt worden. Diese treffe uns nun mit voller Kraft.

So viele Klimawandelleugnerorganisationen gibt es weltweit

Administrative Untätigkeit ist das eine, den Klimawandel zu leugnen das andere. Bis heute gibt es zahlreiche Klimawandelleugner*innen. Das prominenteste Beispiel ist sicherlich der ehemalige US-Präsident Donald Trump. Klimawandelleugner*innen bestreiten entweder, dass es erstens eine Erderwärmung gibt, dass zweitens die Ursachen der Mensch zu verantworten hat oder drittens, dass die Folgen gesellschaftliche und ökologische Probleme mit sich bringen. Bei diesen Klimawandelleugner*innen handelt es sich um Privatpersonen, aber auch um zahlreiche Klimawandelleugnerorganisationen. So gab es laut der Dissertation von Ruth E. McKie (2015) insgesamt 444 aktive Klimawandelleugnerorganisationen in 53 Ländern. Weit mehr als die Hälfte hiervon haben ihren Sitz in den USA. Auch dem IPCC, dem Intergovernmental Panel on Climate Change (in Deutschland auch „Weltklimarat“ genannt), werfen organisierte Klimawandelskeptiker*innen regelmäßig vor „alarmistisch“ und politisch beeinflusst zu agieren. Eine wissenschaftliche Untersuchung hierzu von Keynyn Brysse kam jedoch zu dem Schluss das IPCC würde tendenziell einige Aspekte der globalen Erwärmung sogar eher unterschätzen.

Ursachen Klimawandel

Bleiben wir also sachlich und schauen uns den Klimawandel nochmal genau an. Der Begriff „Klimawandel“ beschreibt allgemein das globale Phänomen einer Klimaveränderung auf einem Planeten mit Atmosphäre. Die Folge: Das Klima auf dem Planeten kühlt sich ab oder erwärmt sich. Dies kann in unterschiedlichen Zeiträumen erfolgen. Die Ursachen der klimatischen Veränderung sind vielschichtig. Prinzipiell beruhen sie auf einer Veränderung des Strahlungsantriebs durch beispielsweise atmosphärische Konzentrationen von Treibhausgasen (wie CO2), Methan, Wasserdampf, durch eine veränderte Sonneneinstrahlung oder auch durch das Rückstrahlvermögen der Erdoberfläche. Gleichzeitig können aber auch Eruptionen von Supervulkanen sowie schnelle Veränderungen von Meeresströmungen abrupte Klimawechsel auslösen. Die bisherigen Klimaveränderungen der Erdgeschichte konnten Wissenschaftler*innen in der Regel auf eine Kombination mehrere Faktoren zurückführen. Dahingehend war das Erdklima nie ganz stabil und unterlag abseits größerer Umweltkrisen immer gewissen Schwankungen.
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Der anthropogene Klimawandel in einem Balkendiagramm: Seit der Industrialisierung von 1750 bis 2011 sind die Hauptursachen der globalen Erwärmung menschengemacht (Abbildung: wikicommons).
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Worst-Case: 4,8 Grad wärmer

Ist heutzutage im allgemeinen Sprachgebrauch von „dem Klimawandel“ die Rede, dann handelt es sich dabei in der Regel um die anthropogene Klimaveränderung auf der Erde. Während in der Vergangenheit maßgeblich natürliche Faktoren das Erdklima beeinflussten, verantwortet „den Klimawandel“ heute allen voran der Mensch. Dies bestätigte das IPCC in seinem Vierten Sachstandsbericht von 2008. Laut diesem liegt die Wahrscheinlichkeit bei über 90 Prozent, dass die Ursachen für aktuelle Klimaerwärmung in dem von Menschen verursachten Anstieg der Treibhausgas-Konzentration liegen. Seit Beginn der Industrialisierung 1970 bis 2004 seien die Emissionen um 70 Prozent gestiegen. Die anthropogenen Klimagas-Emissionen im bisherigen 21. Jahrhundert sollen frühere Anstiege um das Zehnfache übertreffen. Der Weltklimarat rechnet in einem Worst-Case-Szenario von einem Temperaturanstieg von 2,6 bis 4,8 Grad Celcius bis Ende des 21. Jahrhunderts. Best-Case sind es wiederum „nur“ 0,3 bis 1,7 Grad Celcius – bei höchst ambitionierten Klimaschutzmaßnahmen.

Folgen Klimawandel

Ähnlich wie die Ursachen des Klimawandels sind auch die Folgen komplex. Allgemein sind es massive Umweltveränderungen, auf die wir uns einstellen müssen, ebenso jedoch wie weltweite Konflikte sowie neue Migrationsbewegungen im Sinne einer Klimaflucht. Im Folgenden finden Sie die wichtigsten Folgen des Klimawandels nochmal in einer Übersicht:
  • Steigen der Meeresspiegel
  • Schmelzen von Gletschern
  • Verschiebung von Klimazonen, Vegetationszonen und Lebensräumen
  • Zunahme von Waldbränden (sowie deren Intensivierung)
  • Zunahme des Niederschlags allgemein
  • Zunahme von stärkeren und häufigeren Extremwetterereignissen (Überschwemmungen, Stürme und Dürren)
  • Zunahme der Ausbreitung von Parasiten und tropischer Krankheiten
  • Zunahme von Umweltflüchtlingen

Vier Ursachen für Klimaflucht

Weitreichend sind aller Voraussicht nach sämtliche dieser Folgen. Wenn sich aber bereits zum aktuellen Zeitpunkt mehrere Millionen Menschen gezwungen sehen aufgrund von Umweltveränderungen oder Naturkatastrophen ihre Heimat zu verlassen, ist dies besonders tragisch. Man spricht dann von Umwelt- oder Klimaflüchtlingen. Die Vereinten Nationen führen vier Ursachen für die klimabedingten Migrationsbewegungen an:
  • der Verlust von Staatsgebiet durch den steigenden Meeresspiegel,
  • die hierdurch entstehende Küstenerosion, Versalzung küstennaher Gebiete und sich ausweitende Wüsten,
  • den Mangel an Wasser und
  • den Mangel an Boden.
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In Rosa: Hurrikans/Tropische Wirbelstürme, in Gelb: Desertifikation/Dürre und in Blau: Veränderungen durch Meeresspiegelanstieg (Inseln, Deltas) – die hier gezeigte Karte präsentiert zeigt potenzielle Gebiete, in denen auf Grund des Klimawandels lokale Umweltveränderung zu Klimaflucht führen können (Abbildung: wikicommons).
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Dreimal mehr Umwelt- als Gewaltflüchtlinge im Jahr 2019

Verlässliche Zahlen zu der Anzahl von Umweltflüchtlingen gibt es aktuell nicht. Die Daten hierzu werden derzeit noch nicht vollumfänglich verfasst. Im Februar 2021 vorgestellten Leitfaden zum Umgang mit Umweltflüchtlingen geht aber beispielsweise der Vatikan von 22,5 Millionen Klimaflüchtlingen im Jahr 2019 aus.
Ein weiteres Problem: Die offizielle Flüchtlingsdefinition der Genfer Konvention von 1951 schließt Umweltflüchtlinge rechtlich nicht ein. Völkerrechtlich wird demnach jede Person als Flüchtling anerkannt, die aus „… Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt (…)“.

Diese deutschen Unternehmen verantworten die meisten CO2-Emissionen

Der Umgang in den Ländern weltweit mit dem Thema „Klimawandel“ ist höchst unterschiedlich. Ebenso verschieden sind die Kohlenstoffdioxid-Emissionen der einzelnen Länder. Laut den Zahlen der Europäischen Union stießen die folgenden zehn Länder im Jahr 2019 weltweit die meisten Emissionen aus:
  1. Volksrepublik China (1153 Millionen Tonnen)
  2. Vereinigte Staaten von Amerika (5107 Millionen Tonnen)
  3. Indien (2597 Millionen Tonnen)
  4. Russland (1792 Millionen Tonnen)
  5. Japan (1154 Millionen Tonnen)
  6. Deutschland (702 Millionen Tonnen)
  7. Iran (701 Millionen Tonnen)
  8. Südkorea (652 Millionen Tonnen)
  9. Indonesien (626 Millionen Tonnen)
  10. Saudi-Arabien (615 Millionen Tonnen)
Damit war die Volksrepublik China im Jahr 2019 für über 30 Prozent der weltweiten Kohlenstoffdioxid-Emissionen verantwortlich. Aber natürlich fällt auch Deutschlands Position in dem Ranking auf. Interessant hierbei: Laut einer Veröffentlichung des Humanistic Management Center zu Klimabilanzen deutscher DAX-Unternehmen erzeugten 2018 hierzulande die Firmen RWE, HeidelbergCement, E. ON, Lufthansa und BASF die höchsten CO2-Emissionen.
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Der Verlauf der jährlichen fossilen CO2 Emissionen der sechs am meisten beitragenden Staaten und Staatengruppen (EU) 1970 bis 2018 im Überblick (Abbildung: wikicommons).
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EU: klimaneutral bis 2050, 55 Prozent weniger Emissionen bis 2030

Die EU plant bis 2050 Treibhausgas-neutral zu sein. Im Dezember 2020 verständigten sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union zudem darauf, das EU-Klimaziel für das Jahr 2030 von aktuell mindestens 40 auf mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 anzuheben. Der Europäische Grüne Deal (European Green Deal, EGD) gilt hierbei als das umfassende Schlüsselprojekt der EU-Kommission. Er beschreibt eine Wachstumsstrategie im Rahmen einer klimaneutralen und ressourcenschonenden Wirtschaft. Im Juli 2021 nahm die EU ein Paket von Rechtsinstrumenten an, die der europäischen Politik dabei helfen soll in den Bereichen Klima, Energie, Landnutzung, Verkehr und Steuern die Netto-Treibhausgasemissionen zu senken.

Der Klimawandel ist nichts für Weicheier

Der Status Quo zum Zeitpunkt Januar 2022? Nachdem im Zuge der globalen Corona-Pandemie die Zahlen der fossilen Kohlendioxid-Emissionen weltweit zurückgegangen waren, sollen sie nun 2021 laut dem „Global Carbon Project“ wieder annähernd das Niveau von 2019 erreicht haben. Emissions-Spitzenreiter ist demnach im Jahr 2021 weiterhin die Volksrepublik China während die Emissionen in den Vereinigten Staaten von Amerika und in der Europäischen Union zurückgegangen sind. Problem: In Indien steigen die CO2-Emissionen. Aber auch in Deutschland sieht es nicht gerade gut aus. Die Co2-Emissionen hierzulande sollen im Jahr 2021 laut einer Schätzung des Thinktank Agora Energiewende um 33 Millionen Tonnen gegenüber 2020 angestiegen sein. Damit würden mit 38 Prozent Emissionsminderungen gegenüber 1990 das 2020-Ziel um -40 Prozent verfehlt. Ja, der Klimawandel ist echt nichts für Weicheier.
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