„Wir dürfen unsere Innenstadt nicht sterben lassen“ – wir haben die Landschaftsarchitektin und Stadtplanerin Irene Lohaus gefragt, wie sie zu unserer zweiten These steht. Anstatt aber nun einen großen Appell dafür zu schreiben, was sich alles ändern muss, antwortet Irene Lohaus viel lieber mit einer Skizze einer vitalen Zukunfts-Innenstadt. Man meint, die Professorin für Landschaftsbau an der TU Dresden möchte uns Lust auf die Zukunft machen anstatt sie zu fürchten. Uns inspirieren. Irene Lohaus ist neben ihrer Tätigkeit in Dresden zudem Mitgründerin von Lohaus · Carl · Köhlmos. Das Büro aus Hannover/Dresden macht seit vielen Jahren durch bedachte, gute Gestaltungen auf sich aufmerksam. Erst 2021 erhielt Das Büro Lohaus · Carl · Köhlmos mit seinem Projekt „Westpark Augsburg“ den ersten Preis beim Deutschen Landschaftsarchitektur-Preis 2021.
Landschaftsarchitektin und Stadtplanerin Irene Lohaus, Professorin für Landschaftsbau (TU Dresden) und Mitgründerin von Lohaus · Carl · Köhlmos. (Foto: Lohaus · Carl · Köhlmos)
„Die Gäste der Innenstadt reisen ausschließlich per Fuß, Fahrrad und/oder ÖPNV an, denn sie können/müssen keine Waren mehr transportieren“ – Ja! So könnte die Innenstadt der Zukunft laut Irene Lohaus auch aussehen.
Auch in Zukunft werden unsere Innenstädte die zentralen physischen Handelsplätze der Stadtgesellschaft sein: Wir flanieren durch die schönen Gassen und Straßen und besuchen die zahlreichen Showrooms, in denen Produkte physisch angefasst, anprobiert oder ausprobiert werden können. Kleidungsstücke etwa sind in jeder Größe vorhanden, aber wir können sie und alle anderen Produkte (zum Glück!) nach dem Kauf nicht mehr direkt mitnehmen, sondern sie werden bequem wenige Tage später an die dezentralen, nachbarschaftlichen Delivery-Stationen geliefert und können dort abgeholt werden. Die Herstellung aller Produkte erfolgt ressourcenschonend on demand und durch den physischen Abgleich in den Showrooms passgenau. Und die Handwerkenden sind in die Innenstädte zurückgekehrt, denn alle Produkte sind reparabel und in den Innenstädten sind die Spezialisten:innen dazu versammelt. In Summe werden nur noch sehr wenige Waren in die Innenstädte transportiert und die großflächigen Lagerflächen sind entfallen. Die Gäste der Innenstadt reisen ausschließlich per Fuß, Fahrrad und/oder ÖPNV an, denn sie können/müssen keine Waren mehr transportieren. In Folge sind die oberen Etagen vieler, auch denkmalgeschützter Gebäude, die häufig als Lagerflächen genutzt wurden, zum Wohnen und Arbeiten aktiviert. Die oftmals ausgedehnten Flachdachflächen dienen ihnen als Gärten und der verdichteten Stadt als verdunstungsaktive Flächen. Gleichermaßen sind die oft großflächig mit eingeschossigen Lagerflächen überbauten Innenhöfe zurückgebaut und als bodengebundene Grünflächen aktiviert. Die Nutzung des Grau- und Regenwassers ist selbstverständlich. Die Feuerwehr ist mit Rettungsdrohnen und mit an den Fassaden abstützbaren leichten Fahrzeugen, die über dreidimensional schwenkbaren Rettungsleitern verfügen, zur Rettung immobiler Personen ausgestattet. Mobile Personen retten sich eigenständig über feuerstabile Rettungsschläuche. In Verbindung mit dem auf ein Minimum reduzierten Warentransport sind Bäume und Fassadenbegrünungen und kühlende Brunnen, die nicht nur aus bodenbündigen Fontänen bestehen, in den Innenstadtstraßen und Plätzen nunmehr selbstverständlich und prägen entscheidend die Atmosphäre der Innenstädte. Da kontinuierliches Engagement für Gemeinwohl und dauerhafte Investitionen in soziale Projekte und preisgünstige Wohnungen mit deutlichen Steuerersparnisse belohnt werden, sind die Innenstädte bunter und lebendiger denn je.
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